Die Ursprünge des Dirndls: Textildruck und globale Abhängigkeiten
Jutta Wimmler
BCDSS Research Group Leader
Die „traditionelle“ österreichische und bayerische Frauentracht hat ihre Ursprünge in der frühen Neuzeit und hängt mit amerikanischen Plantagen und der europäischen Expansion zusammen. Die charakteristischen Muster der Röcke und Schürzen haben ihren Ursprung im Aufkommen des Textildrucks in Europa und waren auf Färbemittel angewiesen, die durch die Arbeit versklavter Menschen gewonnen wurden.
Im 15. Jahrhundert „entdeckte“ Kolumbus Amerika, und Vasco da Gama umschiffte den afrikanischen Kontinent und erreichte Indien. Dies hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die europäische materielle Kultur, insbesondere auf den Textilsektor. Indische Handwerker waren ihren europäischen Kolleg*innen in der Herstellung wunderschöner farbiger Stoffe deutlich voraus. Europäer importierten diese zunächst und versuchten später mithilfe fachkundiger Migrant*innen, insbesondere aus Armenien, diese zu imitieren. Dies führte im 17. Jahrhundert zu einem großen technologischen Durchbruch: der Entwicklung des Textildrucks. Vor dieser Entwicklung webten oder nähten europäische Handwerker*innen bunte Muster in den Stoff.
Abb. 1: Ausseer Dirndl (Zeichnung: A. Schüssler, 2024).
Der Stoffdruck funktioniert hingegen anders: Die Muster werden mit einem hölzernen (später kupfernen) Druckstock oder Model, in den das Muster eingraviert wird, auf ein Stück Stoff aufgebracht. Das klingt simpel, erforderte aber die Herstellung hochwertiger Farben, die sich dauerhaft mit der Faser verbinden – andernfalls würde die Farbe schnell verschwinden, wenn der Stoff gewaschen oder der Sonne ausgesetzt wird. Textilien, die in Europa im „asiatischen Stil“ bedruckt wurden, waren in der Regel billiger als die ursprünglichen asiatischen Importe, sodass sich mehr Menschen solche Stoffe leisten konnten. Der Grund für den geringeren Preis war, dass Europäer leichten Zugang zu den dafür benötigten Rohstoffen hatten – die Färbematerialien stammten vor allem aus den neu „entdeckten“ Amerikas und aus Afrika und wurden von versklavten Arbeiter*innen angebaut, geerntet und verarbeitet. Die „traditionelle“ Frauentracht in Österreich und Bayern, das Dirndl, entstand ursprünglich per Stoffdruck. Heute werden Dirndlstoffe zwar nicht mehr auf diese Weise hergestellt, aber wer Altaussee in der Steiermark besucht – Heimat eines der berühmtesten österreichischen Dirndls –, kann in einigen Geschäften immer noch die alten Druckmodel bestaunen. Dirndlstoffe wurden in der Regel in einer Spielart des Textildrucks bedruckt, dem sogenannten Reservedruck.
Weiterführende Literatur
Chassagne, Serge. 2003. „Calico Printing in Europe Before 1780.“ In David Jenkins (ed.), The Cambridge History of Western Textiles Vol. I, 513–28. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
Edwards, Eiluned. 2019. “Indian Block Printing: Technology, Entrepreneurship, and Innovation Across Time and Place.” In Kim Siebenhüner, John Jordan, and Gabi Schopf (eds.), Cotton in Context: Manufacturing, Marketing, and Consuming Textiles in the German-speaking World 1500–1900, 61–87. Cologne: Böhlau.
Riello, Giorgio. 2010. „Asian Knowledge and the Development of Calico Printing in Europe in the Seventeenth and Eighteenth Centuries.“ Journal of Global History 5: 1–28.