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Verstrickt und verwoben:texturen der abhängickeit

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Genähte Körbe

Beatrix Hoffmann-Ihde
BCDSS Exhibition Curator

Körbe werden geflochten – das weiß doch jede:r. Nicht so die Körbe der Gullah Geechee, die vor allem an der Atlantikküste von South Carolina und Georgia leben. Diese Körbe bestehen aus Gräsern, Binsen oder Piniennadeln und werden in Spiralwulsttechnik zusammengenäht. In diesen Körben materialisieren sich die afrikanische Herkunft und die amerikanische Geschichte und Ausbeutungserfahrung der Gullah Geechee.

Körbe für die Reisplantagen

Vielerorts an Straßenständen, auf Kunstmärkten und in Museumsshops in der Küstenregion um Charleston/South Carolina bieten Gullah Geechee ihre Körbe zum Kauf an. Diese haben die vielfältigsten Formen und Größen, jede:r Korbkünstler:in verleiht ihnen ihre:seine eigene Note und entwickelt immer wieder neue Formen (Abb. 1). Trotz aller gestalterischen Freiheit stehen die Körbe in einer langen Tradition. Viele ihrer Formen beziehen sich auf historische Vorbilder – Körbe, wie sie auf den Reisplantagen entlang der nordamerikanischen Atlantikküste genutzt wurden. Dort dienten Körbe in vielen Bereichen des Plantagenalltags als unverzichtbare Arbeitsmittel, so zur Aufbewahrung und dem Transport von Gerätschaften und Lebensmitteln, wie Obst oder Gemüse, aber auch zur Verarbeitung der Reisernte. Nach dem Dreschen der Reiskörner, was in Mörsern geschah, wurde der Reis geworfelt, d.h. auf flache Korbschalen gegeben und bei leichtem Wind wiederholt in die Luft geworfen. Dabei flog die Spreu davon, während die Reiskörner wieder in die Korbschale zurückfielen und anschließend in Säcke gefüllt wurden.

Abb. 1: Verkaufsstand mit Körben aus Süßgras in Charleston (Foto: B. Hoffmann-Ihde 2025).

Kultureller Ursprung der Körbe

Die Kenntnisse und Fertigkeiten, welche für die Herstellung der Körbe nötig waren – angefangen von der Auswahl geeigneter Rohstoffe über deren Aufbereitung bis hin zur eigentlichen Korbherstellung – brachten die aus Afrika verschleppten Menschen mit nach Amerika. Auf den Reisplantagen war dieses Wissen äußerst gefragt und steigerte sogar den Wert einer versklavten Person.

Als Rohstoff für die Korbherstellung dienen bis heute Binsen, verschiedene Gräser, die rund 30 Zentimeter langen Piniennadeln und die Blätter der Palmettopalme (Sabal palmetto). Besonders beliebt sind Süßgrasarten (Muhlenbergia filipes oder M. capillaris), weil deren Oberfläche nicht so rau wie die der Binsen ist. Das ist angenehmer für die Hände während der Verarbeitung. Auch wenn Körbe nur im weiteren Sinne zu den eigentlichen Textilien gezählt werden können, stellen die Gullah Geechee ihre Körbe in einer textilen Technik, dem Nähen her (vgl. Rosengarten 2022: 3). Dafür werden die Binsen, Gräser oder Piniennadeln in Büschel gefasst, zu Wülsten geformt und dann mit Streifen der Palmettoblätter umwickelt. Die Wülste werden in Spiralform übereinandergelegt und mit Streifen von Palmettoblättern, manchmal auch von Eichenrinde, miteinander vernäht. Dieses Verfahren ist auch als Spiralwulsttechnik bekannt und wird ebenso zur Herstellung von Keramik angewandt.

Noch heute werden in vielen Regionen Afrikas, besonders entlang der Westküste, Körbe in Spiralwulsttechnik hergestellt (Abb. 3). Flache runde Körbe, wie sie auf den nordamerikanischen Plantagen zur Reisverarbeitung benutzt wurden, werden bis heute auch von lokalen Bevölkerungen, die entlang der Westküste des afrikanischen Kontinents leben, hergestellt und genutzt. Die Oshiwambo zum Beispiel, die im Grenzgebiet von Namibia und Angola leben, nutzen bis heute zu besonderen Anlässen solche flachen Körbe zum Servieren von Speisen (Abb. 4). Auch der Name „Gullah“ verweist nach Angola, wie manche Linguisten vermuten (vgl. New Georgia Ecyclopedia). Er könnte von Angola abgeleitet sein und auf die ersten aus Afrika nach South Carolina verschleppten Menschen zurückgehen. Sie stammten von der Küste des heutigen Angola.

Abb. 2: Körbe eines Verkaufsstandes des Village Artisanal Crafts Market auf der Île de Sor in Saint-Louis-du-Senegal (Foto: rweisswald / Schutterstock.com).

Abb. 3: Elilo-Korbteller, hergestellt in Ringwulsttechnik, Oshiwambo/Namibia (Foto: A. Kilian, 2021).

Kulturelles Erbe

Die heute zumeist aus Süßgras und Piniennadeln und seltener aus Binsen hergestellten Körbe der Gullah Geechee sind Teil ihres kulturellen Erbes und ihrer kulturellen Identität. Diese versuchen die Gullah Geechee schon seit Ende des 19. Jahrhunderts aktiv gegen den amerikanischen Mainstream zu bewahren, denn sie sind die einzige afrikanisch-kreolische Bevölkerungsgruppe in den USA. So wurde etwa auf der Insel St. Helena nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkriegs eine Schule gegründet, in der nicht nur Lesen und Schreiben, sondern auch traditionelle Handwerkstechniken, wie die Herstellung der Körbe, gelehrt wurden. Nachdem der Reisanbau Anfang des 20. Jahrhunderts an der nordamerikanischen Atlantikküste aufgegeben wurde, bekam die Korbproduktion für die Gullah Geechee-Bevölkerung eine neue Bedeutung: Sie generierten nun einen Teil ihres Einkommens damit und verkauften die Körbe an Tourist:innen. Diese ökonomische Bedeutung haben die Körbe bis heute, wie die zahlreichen Verkaufsstände entlang des Highway 17 und in der Stadt Charleston zeigen (Abb. 6 + 7). Zugleich zeigen sie die kulturelle Resilienz der Gullah Geechee, die ihr Wissen und Können (skills) in Bezug auf die Herstellung von Körben seit der Verschleppung ihrer Vorfahren von einer zur nächsten Generation weitergegeben haben.

Abb. 4: Gullah-Körbe aus Süßgras auf dem Charleston City Market (Foto: J. Kirkikis, / Shutterstock.com).

Abb. 5: Verkaufsstand eines Kunsthandwerkers auf dem Charleston City Market (Foto: meunierd/Shutterstock.com).


Weiterführende Literatur

Cooper, Melissa L. 2017. Making Gullah: A History of Sapelo Islanders, Race, and the American Imagination. University of North Carolina Press.

Cross, Wilbur, 2008. Gullah Culture in America. Westport/Connecticut: Praeger.

New Georgia Ecyclopedia. Art. Gullah Geechee Culture. (https://www.georgiaencyclopedia.org/articles/arts-culture/geechee-and-gullah-culture)

Pollitzer, William S. 1999. The Gullah People and Their African Heritage. University of Georgia Press, Athens.

Rosengarten, Dale, 2022 (4th ed.). Row upon Row. Sea Grass Baskets of the South Carolina Lowcountry. McKissick Museum. The University of South Carolina Press.

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