Gold, Seide und Purpur: knappe Rohstoffe und ihre Imitationen im antiken Mittelmeerraum
Petra Linscheid
BCDSS Investigator
In der Antike waren Textilien mit Goldfäden, Seidenstoffe und Purpurfärbung die kostbarsten Textilprodukte. Gleichzeitig wurden Imitationen aus billigeren Materialien und mit billigeren Techniken hergestellt, was den Einfluss und die Abhängigkeit der Produktion von Luxusgütern verdeutlicht.
Antike Textilien sind vor allem in Ägypten erhalten, wo das günstige Klima sowohl Luxus- als auch Alltagstextilien bewahrt. Goldfäden, Seidenstoffe und Purpurfarben waren der ultimative Luxus in römischen und spätantiken Textilien. Sie waren kostbar, und ihre Verfügbarkeit war begrenzt. Sowohl in der Antike als auch heute wurden und werden Luxusartikel mit billigeren Materialien und Techniken kopiert.
Goldfäden bestanden aus Goldfolienstreifen, die spiralförmig um einen Kernfaden gewickelt wurden. Sie wurden nur an ausgewählten Stellen zur besonderen Dekoration eingewebt. Durch Anwendung eines leuchtend gelben Wollfadens konnte man einen ähnlichen Leucht- und Schimmereffekt erzielen (Abb. 1 + 2).
Abb. 1: Detail einer Tunika aus Leinen und Wolle mit Ranken und Blüten aus Goldfaden. The Cleveland Museum of Art, Inv. 1982,79 (Foto: The Cleveland Museum of Art).
Abb. 2: Detail einer Wolltunika, verziert mit Blattdekor aus hellgelbem Faden. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Inventar-Nr. T 154 (Foto: Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Th. Goldschmidt).
Die Seidenfaser aus dem Kokon des Seidenspinners (Bombyx mori) wurde für ihren Glanz und ihre Feinheit geschätzt. Sie galt als außergewöhnlich, da diese bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. aus Zentralasien importiert wurde. Spätantike Seidenstoffe zeichnen sich durch ein Gittermuster mit sich wiederholenden Motiven aus, die mithilfe einer komplexen Samit-Webtechnik hergestellt wurden. Diese Seidenstoffe wurden in Bahnen geschnitten und als Dekoration auf Tuniken genäht. Das Gittermuster wurde von der einfachen Webtechnik der Wirkerei übernommen, wo dieses Design, einschließlich absichtlich eingewebter „geschnittener“ Motive an den Außenkanten, recht populär war (Abb. 3 + 4).
Abb. 3: Hals- und Schulterbesatz aus Seidensamit-Stoff. London, Victoria and Albert Museum Inv. 292-1887 (Foto: Victoria and Albert Museum).
Abb. 4: Wollener Schulterbesatz in Wirkerei-Webtechnik, einen Seidenstoff imitierend. Badisches Landesmuseum, Karlsruhe. Inventar-Nr. T 55 (Foto: Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Th. Goldschmidt).
Der kostbare oder „echte“ Purpurfarbstoff wird in einem aufwendigen Verfahren aus Meeresschnecken gewonnen. Ein purpurner Farbton lässt sich aber auch mit günstigeren Farbstoffen aus Pflanzen der Familie der Rötegewächse (Rubiaceae) oder aus Kermes-Schildläusen (Kermes vermilio) erzeugen. „Echter“ Schneckenpurpur und Pflanzen-/Läusepurpur sind mit bloßem Auge nicht zu unterscheiden, heute kann man jedoch durch chemische Analysen feststellen, welche Farbstoffquelle verwendet wurde (Abb. 5 + 6).
Abb. 5: Eine chemische Analyse ergab, dass die Wolle zum Weben dieses Bandes in einem Leinenstoff mit „echtem“ Schneckenpurpur gefärbt wurde. Leibniz-Zentrum für Archäologie Mainz (LEIZA), Inv. O.03261. https://www.leiza.de/ (Foto: Leibniz-Zentrum für Archäologie Mainz V. Iserhardt).
Abb. 6: Die Wolle der dunklen Bänder ist mit einem günstigeren Pflanzenfarbstoff aus der Familie der Rubiaceaen gefärbt. Ägypten, 410 – 540 AD, Antwerp, The Phoebus Foundation Inv. KTN 489 (Foto: The Phoebus Foundation).
Steckt hinter diesen transmateriellen Kopien von Gold, Seide und Purpur in antiken Textilien eine Absicht? Waren sie als Fälschungen gedacht, um Reichtum vorzutäuschen? Das ist unwahrscheinlich, denn der antike Betrachter musste den Unterschied zwischen „Original“ und „Fälschung“ sofort bemerkt haben. Wahrscheinlicher ist, dass diese kostbaren Materialien, deren Verfügbarkeit begrenzt war, einfach Modetrends hervorbrachten.
Weiterführende Literatur
Bogensperger, Ines, 2015. Purpur: eine Farbe als Statussymbol. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 145, 155–172.
Linscheid, Petra, 2017. Spätantike und Byzanz. Bestandskatalog Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Band II: Textilien (Byzanz zwischen Orient und Okzident, Band 8.2). Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz. https://doi.org/10.11588/propylaeum.385.
Thomas, Thelma K., Jennifer Ball, Edward Bleiberg, Kathrin Colburn, Helen C. Evans, Christine Kondoleon, Brandie Ratliff, and Elizabeth Dospel Williams. 2016. Designing Identity: The Power of Textiles in Late Antiquity. Exhibition catalogue, New York, Institute for the Study of the Ancient World, Princeton University Press.