Kleidung schenken: Auseinandersetzungen um sozio-religiöse Hegemonie und die wohltätige Verteilung gebrauchter Kleidung in Guyana
Sinah Kloß
BCDSS Research Group Leader
Die Verteilung von (gebrauchter) Kleidung kann sozio-religiöse Hierarchien beeinflussen und etablierte Machtstrukturen in Frage stellen. Hindus in Guyana assoziierten die wohltätige Verteilung von Kleidung mit christlichen Missionen und christlichen Versuchen der Bekehrung. Als Gegenmaßnahme organisierten sie eigene Verteilungen und beanspruchten aktiv die Position der gebenden und wohltätigen Gruppe.
Während meiner ethnologischen Feldforschung in Guyana Anfang der 2010er Jahre brachten viele Hindus die Verteilung von Kleidung für wohltätige Zwecke ausschließlich mit christlichen Missionen und christlichen Versuchen der Bekehrung von Hindus in Verbindung. Tatsächlich waren in der Vergangenheit aufgrund ihrer Verbindungen zu Kolonialmächten nur Christ*innen in der Lage gewesen, ein solches Verteilen durchzuführen. Die anhaltende transnationale Migration guyanischer Hindus nach Nordamerika seit den 1960er Jahren hat seither jedoch einigen Guyaner*innen die Möglichkeit gegeben, in ihrer Diaspora neue und gebrauchte Kleidung zu sammeln und sie nach Guyana zu schicken, wo sie unter den „Armen und Bedürftigen“ umverteilt wird. Beispielsweise organisierten im Jahr 2015 einige guyanische Migrant*innen mit Wohnsitz in Florida und New York solche Verteilungen. Sie beanspruchten aktiv die Position der gebenden und „wohltätigen“ Person und betrachteten diese Praxis als Mittel, um der von der Hindu-Gemeinschaft wahrgenommenen „Bedrohung“ der Konvertierung entgegenzuwirken und Widerstand dagegen zu leisten. Sie widersetzten sich aktiv dem, was christliche Missionierende zuvor als „Geschenke Jesu“ bezeichnet hatten. Die Verteilung von Kleidung kann daher sozio-religiöse Hierarchien beeinflussen und etablierte Machtstrukturen infrage stellen. Neben Praktiken des Konsumierens, also beispielsweise des Tragens von Kleidung, kann der Austausch von (gebrauchter) Kleidung den Status einer Gruppe oder Person erhöhen oder senken, indem sie Geschmack zeigt und Kapital (wieder)beschafft.
Abb. 1: Ein Hindu Mandir in Guyana (Foto: S. Kloß, 2015).
Abb. 2: Einer weiblichen Gottheit ist ein gelber Sari geopfert worden. Solche Kleidungsstücke werden gesammelt und zur Weiterverteilung in der Tempelgemeinschaft oder zur weiteren Verwendung in einem Tempel nach Guyana geschickt (Foto: S. Kloß, 2012).
Abb. 3: Rituelle Utensilien, die während einer sonntäglichen Puja (rituellen Verehrung) in New York zusammengetragen wurden, darunter Stoffe und Saris (Foto: S. Kloß, 2012).
Weiterführende Literatur
Halstead, N., 2011. “Gift Practices in Guyanese East Indian Diaspora: Belonging, Loss, and Status.” The Journal of Latin American and Caribbean Anthropology, 16 (2), 278–295.
Jayawardena, C., 1966. “Religious Belief and Social Change: Aspects of the Development of Hinduism in British Guiana.” Comparative Studies in Society and History, vol. 8 (2), 211–240.
Kloß, Sinah T., 2017. Contesting “Gifts from Jesus”: Conversion, Charity, and the Distribution of Used Clothing in Guyana. Social Sciences and Missions, 30 (3), 346–365.
Kloß, Sinah T., 2020. “Giving and Development: Ethno-Religious Identities and ‘Holistic Development’ in Guyana.” In: Faith-Based Organizations in Development Discourses and Practice (eds. J. Koehrsen, A. Heuser), London: Routledge, pp. 113–138.
Williams, B. 1991. Stains on My Name, War in My Veins. Guyana and the Politics of Cultural Struggle, Durham: Duke University Press.