Pin Money – Nadelgeld
Meguey Baker
BCDSS Conference Lecturer
Eine Frau zu Zeiten der amerikanischen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg nutzt ihre Nähfähigkeiten, um sich ein gewisses Maß an finanzieller Freiheit zu verschaffen. Manchmal war es das alleinige Haushaltseinkommen, dennoch wurde es immer noch als „pin money“ (Nadelgeld) bezeichnet: weniger wert und unwichtig. In anderen Zeiten bildete diese Tätigkeit die einzige Möglichkeit für Frauen, die restriktiven Geschlechterrollen der 1950er Jahre zu erfüllen und sich gleichzeitig wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erarbeiten.
Dies ist eine Geschichte über meine Großmutter und Millionen andere Frauen, die sich wie sie durch Nähen und Flicken zusätzliches Geld verdienten. Die erste Erinnerung aus meiner Kindheit, die ich an meine Großmutter Mille McKie habe, ist, wie sie mir mit dem Rücken zugewandt am Nähpult saß. Ich saß auf der Couch am anderen Ende des Zimmers oder spielte neben ihr, während sie nähte. Immer nähte. Mit geöffneten Fenstern, um genügend Licht zu haben, und Regalen und Schubladen voller Knöpfe und Stoffe und Stoffmuster. Auf Kleiderbügeln an der Rückseite der Tür hing meist ein Kleid für eine*n Kund*in, ein Hemd oder eine Hose.
Abb. 1: Der Nähtisch meiner Großmutter mütterlicherseits, Mildred Nelson McKie. Ein Schreibtisch aus den 1920er Jahren, der von meinem Großvater Albert McKie so angepasst wurde, dass ihre Nähmaschine in die Tischplatte eingefügt werden konnte. Die Singer-Nähmaschine aus dem Jahr 1900, die derzeit darauf steht, gehörte meiner Urgroßmutter väterlicherseits, Wilhelmina Meisterknecht Withun. Großmutter Wilhelmina erblindete mit Ende sechzig und starb ein Jahrzehnt vor meiner Geburt, aber ich habe durch ihre Textilarbeiten und diese Maschine, die ich mit 18 Jahren erbte, immer eine Verbindung zu ihr gespürt (Foto: M. Baker, 2024).
Meine Großmutter war die Tochter schwedischer Einwanderer. Als der Börsencrash 1929 an der New Yorker Börse die Große Depression auslöste, verlor die Familie ihre Farm praktisch über Nacht: „sie gingen abends als Besitzer einer Farm schlafen und wachten morgens ohne Farm auf“ und hatten alles verloren. Dies hatte eine tiefgreifende Wirkung auf meine Großmutter, die 1920 geboren war. Als junge Ehefrau und Mutter in den 1950er Jahren begann sie, für ihre Kinder zu nähen – wie fast alle Frauen in jener Zeit. Die Familie lebte über dem Ladengeschäft der Schwiegereltern, wo ihre Schwiegermutter, meine Urgroßmutter Menoa Baum McKie, hin und wieder Flickarbeiten ausführte. Das fällt unter die jahrhundertealte Tradition des „pin money“ (Nadelgeld) – ein kleiner Zuverdienst, das Frauen mit haushaltsnahen Beschäftigungen erwirtschafteten, um eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Nähen war weit verbreitet neben anderen Tätigkeiten der Textilarbeit: vom Wäschewaschen über Flickarbeiten bis zur Herstellung von individuellen Kleidungsstücken. Meine Mutter erinnert sich daran, dass Freunde ihrer Mutter Hühner hielten und die Eier verkauften, Korbstühle flechten oder Marmelade herstellten. Alles, um das Familienbudget zu erweitern und eigenes Geld unabhängig vom Ehemann zu besitzen, der nach dem damaligen Rollenbild als offizieller Ernährer galt. Bis in die 1970er Jahre hatten verheiratete amerikanische Frauen nicht das Recht, ein von ihren Ehemännern getrenntes Sparkonto zu eröffnen, sodass diese inoffiziellen Arbeiten unter der Hand ihre möglichen Haupteinnahmequellen bildeten.
Auf diese Weise konnte meine Großmutter den Stoff für ihre eigenen Kleider und die Kleidung ihrer Kinder erwerben. Sie konnte aber auch einen Beitrag dazu leisten, die Schulden der Familie im Dorfladen abzuzahlen und Benzin für das Familienauto zu kaufen. Sie trug merklich zum Familieneinkommen bei. Und mein Großvater unterstützte sie sehr dabei. Er baute ihr einen Nähkoffer nach ihren Wünschen, und im Laufe der Jahre besaß sie ihre eigenen Werkzeuge zur Reparatur der Nähmaschinen. Es ist einfach, das Nähen als „weiche“ Arbeit anzusehen, für die es nur ein paar Nadeln, Stecknadeln und Scheren braucht. Aber die Schublade mit denselben Werkzeugen, die mein Großvater benutzte, um den Rasenmäher, den Ofen oder die Waschmaschine zu reparieren, erzählte eine andere Geschichte: Nähen mit einer Maschine bedeutet, zu wissen, wie man diese Maschine am Laufen hält.
Abb. 2: Nähschrank, den mein Großvater Albert McKie gebaut hat, um die Werkzeuge, die meine Großmutter Millie brauchte, immer griffbereit aufzubewahren. Als ich aufs College ging, baute er mir einen ganz ähnlichen. Jetzt besitze ich beide und benutze sie regelmäßig (Foto: M. Baker, 2024).
Abb. 3: Die Werkzeuge meiner Großmutter zur Wartung ihrer Nähmaschine. In anderen Schubladen befanden sich Scheren, Stecknadeln, Nahttrenner, Gummibänder, Knöpfe usw. Diese Schubladen waren für mich als Kind wie magische Tore in eine Welt der Kreativität. Die geschwungenen Seitenfächer ließen sich öffnen und enthielten ihre am häufigsten verwendeten Schnittmuster für ihre eigenen Blusen und Kleider, die Hemden meines Großvaters und ihre Lieblingsschnittmuster für ihre Stammkund*innen (Foto: M. Baker, 2024).
Meine Großmutter war größtenteils eine Traditionalistin. Für sie stellte die Rolle als Frau und Mutter einen wesentlichen Teil ihres Lebens dar, aber sie widersetzte sich auch diesem vorherrschenden Leitbild in ihrer Näharbeit. Zu Beginn nahm sie Ausbesserungen und grundlegende Änderungen vor, aber meine Mutter erinnert sich, dass Großmutter wunderschön maßgeschneiderte Sets aus karierten Wolljacken und -röcken trug, die „ein Vermögen gekostet hätten“, wenn sie diese nicht selbst angefertigt hätte. In den 1960er und 1970er Jahren, als meine Mutter und ihre jüngeren Geschwister zur Schule gingen, lagen die Kosten für Stoffe noch deutlich unter denen für fertige Kleidungsstücke, anders als heute. Als ich in den 1970/80er Jahren ein Kind war, war meine Großmutter als gelernte Schneiderin für Abendgarderobe gefragt.
Als ich sechs Jahre alt war, saß ich auf ihrem Schoß, während sie am Nähpult saß. So brachte sie mir bei, wie man die Maschine bedient. Sie betätigte das Fußpedal, um die Geschwindigkeit zu kontrollieren und meine kleinen Finger zu schützen. Aber ich war diejenige, die den Stoff unter der glitzernden Nadel führen durfte. Ich empfand das als Magie. Ich habe eine kleine gefütterte Tasche mit einer gefalteten Klappe und einem Schulterriemen angefertigt. Damals dachte ich, dass dies einer der seltenen Momente sei, in denen Großmutter Zeit zum Spielen für mich hatte. Aber da ich seither mein Leben lang genäht habe, sehe ich es heute als das, was es war: die Weitergabe einer Fähigkeit, die es mir ermöglichen würde, unabhängig zu werden, egal, was passiert. Meine Großmutter starb 2022. Die Frage, welches Enkelkind ihr Nähpult und ihren -schrank erben würde, stellte sich nicht. Sie gehören heute zu meinen wertvollsten Besitztümern. Ich bin ihr zutiefst dankbar für das Vermächtnis von Stoff, Nadel und Faden in meinem Leben.
Weiterführende Literatur
Edwards, Laura F., 2022. Only the Clothes On Her Back: Clothing and the Hidden History of Power in the Nineteenth-Century United States.
Textile Research Center, 2017. https://www.trc-leiden.nl/trc-needles/oster carpet/texts-films-customs-and-events/customs-and-traditions/pin-money