Von Kamerun nach Kolumbien
Ricardo Márquez García
BCDSS PhD Researcher
Schätzungsweise 9,5 bis 11 Millionen Männer, Frauen und Kinder wurden zwischen 1500 und 1880 von Afrika in die Amerikas verschleppt. Trotz unmenschlicher Bedingungen, systematischer physischer und psychischer Unterdrückung und körperlicher Gewalt kämpften versklavte Menschen für ihre Freiheit. Kulturelle Praktiken aus Afrika wurden weitergegeben, verändert und neu erfunden.
Der Karneval in Kolumbien ist ein Fest, das durch die Verbindung von lokalen indigenen Elementen mit Einflüssen aus West- und Zentralafrika und dem christlichen Europa entstand. Menschen – darunter auch Versklavte – eroberten damit die Straßen für sich. Afrikanische Masken und Kleidungsstücke, die ursprünglich oft zeremoniellen Charakter besaßen, erhielten dort eine neue Bedeutung und Interpretation (Abb. 1).
Abb. 1: Marimonda-Maske und Kah-Maske (Foto: B. Frommann, 2024).
Die abgebildete Tukum-Maske aus Kamerun, auch Kah– oder Elefantenmaske genannt, stellt ein passendes Beispiel dafür dar. Bis heute wird sie in Kamerun nur zu wichtigen Beerdigungszeremonien oder Inthronisationsfeiern getragen (Abb. 2). Über den transatlantischen Sklavenhandel gelangte sie in die Karibik und diente spätestens ab Beginn des 20. Jahrhunderts als Inspiration für die Marimonda-Karnevalsmaske im kolumbianischen Barranquilla (Abb. 3).
Abb. 2: Tänzer der Kah-Gesellschaft im Chiefdom von Foto / Westkamerun (Foto: R. Márquez García 2018).
Abb. 3: Marimonda-Tänzer auf dem Karneval in Barranquilla / Kolumbien (Foto: Shutterstock- ID 2215648833, Lizenz 2024).
Dieser kulturelle Transfer zeugt von der hohen spirituellen Widerstandsfähigkeit versklavter Menschen und ihrer Nachkommen. Trotz aller Einschränkungen gelang es ihnen, Traditionen aus Afrika weiterzugeben und an die Lebensbedingungen in Amerika anzupassen.
Abb. 4: „Lecciones Marimondeñas Vol. II“ (Zeichnung: C. Díaz Orejarena, 2022). Dieser Cartoon ist ein Auszug aus der Graphic Novel „Otras Rayas – Andere Linien“, in dem die kolumbianische Karnevalsmaske Marimonda Fakten und Zusammenhänge der deutschen Kolonialgeschichte im kolumbianischen Departement Santander des 19. Jahrhunderts erzählt. Die Maske erzählt hier ihre eigene, von vielfältiger kultureller Aneignung geprägte Entstehungsgeschichte und verbindet sie mit politischen Diskursen im heutigen Kolumbien. Mehr über den Autor und seine Arbeit: https://www.christiandiaz.net.
Weiterführende Literatur
Argenti, Nicolas, and Ute Röschenthaler, 2006. “Introduction: Between Cameroon and Cuba: Youth, Slave Trades and Translocal Memoryscapes”. Social Anthropology, vol. 14, 33–47.
Arocha, Jaime, 2022. “Nina S. de Friedemann and the African Shadow.” In Routledge Handbook of Afro-Latin American Studies, edited by Bernd Reiter and John Antón Sánchez, 604–609. London: Routledge.
Diaz Orejeana, Christian, 2022: Das ultimative super-dramaturgische-Fakten-Hacker Splatter Intermezzo. https://www.literaturmagazin-bremen.de/beitraege/satzwende-christian-diaz-orejarena-1-2.
Vargas Arana, Paola, 2016. Aka, cazumbas e marimondas: diálogos entre culturas de matriz africana em Camarões, Brasil e Colômbia. Revista Cantareira, vol. 25, 96–121.